Zusammenarbeit mit Jürgen Hohmuth und Peter Mühlfriedel
Meine Zusammenarbeit mit Jürgen Hohmuth begann 1988. In diesem Jahr absolvierten die Studentinnen und Studenten der damaligen Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar ein kommunales Praktikum in Jena. Sie befragten die Einwohner und analysierten das Zentrum, das Neubaugebiet Neu-Lobeda und ein paar traditionelle Altstadtquartiere. Sie wurden von einem Fotografen aus Berlin begleitet: Jürgen Hohmuth.
Als das Praktikum ausgewertet wurde, präsentierte Jürgen Hohmuth seine Fotos, und uns war schnell klar: Hier waren Fotos entstanden, die genau den Alltag der damaligen Zeit festgehalten hatten. Sie bildeten den Grundstock für den 1990 entstandenen Foto-Band „Lebensbilder aus Jena“. Während in Erlangen, Tübingen und Ulm Betrachter der Fotos sogar den Braunkohlenstaub zu riechen glaubten, hatte das Buch in Jena wenig Resonanz. Zu grau, zu düster erschienen vielen die Fotos.
Hineingeworfen in eine grau-bunte Welt mit ökonomischen, sozialen und kulturellen Verwerfungen, hatten die Menschen andere Sorgen, als sich die Alltagsbilder aus der Spätzeit der DDR anzuschauen. Jahre vergingen, und plötzlich wurden Jürgen Hohmuths Fotos zum Geheimtipp. Peter Mühlfriedel, gelernter Buchdrucker und 1987 aus der DDR ausgereist, hatte mittlerweile an der Universität der Künste in Berlin und am Institute of the Arts in Los Angeles Visuelle Kommunikation studiert. In Berlin lernten sich Jürgen Hohmuth und Peter Mühlfriedel kennen und schätzen, und so kam es zur Neuauflage der Fotos im Zeitort Verlag Berlin 2009.
Peter Mühlfriedel war mit seiner Familie 2010 nach Jena übergesiedelt. Wir beide hatten im Herbst 2010 bereits bei der Gestaltung des Buches „Das Glück des atonalen Erzähelns. Studien zu Imre Kertész“ zusammen gearbeitet. Peter Mühlfriedel gestaltete als Grafik-Designer die meisten Foto-Bände von Jürgen Hohmuth, der in Berlin das Fotobüro ZEITORT gegründet, ein Luftschiff erworben und u.a. Foto-Bände mit Luftschiffaufnahmen über Berlin, Brandenburg und Dresden veröffentlicht hatte. Bald war uns klar: Die Landschaft zwischen Jena, Weimar und Erfurt, zwischen Saale und Ilm, zwischen Leuchtenburg und Thüringer Becken mit ihren Bergen, Hügeln, Flüssen und Tälern war wie geschaffen für die Luftbildkamera.
Ein paar Jahre hat es gedauert, bis wir über eine solide Finanzierung verfügten und alle Fotos im Kasten hatten. Es brauchte windstilles, sonniges Wetter und eine klare Sicht, damit Jürgen Hohmuth seinen Zeppelin starten konnte, in dem sich die Kamera befand. Außerdem bemühten wir uns um eine ausgewogene Mischung von Frühlings- und Sommer, Herbst- und Winter-Fotos. Ein Ereignis waren die Foto-Sessions immer. Wir erregten Aufmerksamkeit, und im Weimarer Goethe-Park begleiteten uns Schüler und Studenten. Auch in Jena und Apolda schauten uns Kinder und Erwachsene zu. Ein bisschen Zirkus im Thüringer Alltag!
2019 war es endlich soweit: Der Band „Thüringens Mitte aus halber Höhe. Eine Reise mit dem Luftschiff über Jena, Weimar, Erfurt und das Weimarer Land“ war erschienen und wurde von uns im Jenaer Theaterhaus vorgestellt.
Eine weitere Kooperation mit Beiden
Jürgen Hohmuth und Peter Mühlfriedel hatten die Idee, die Fotografien zum Alltag in der DDR mit Geschichten von Autorinnen und Autoren zu verbinden, die ihnen beim Betrachten der Fotos einfielen. Bei einem Arbeitsessen mit Rostbrätel und Bier in Jenas Traditionsgaststätte „Roter Hirsch“ überlegten wir, wie ein solches Buch aussehen könnte. Es nahm in dem Band „Graustufen“ Gestalt an. Zu den Fotos von Jürgen Hohmuth steuerten u.a. Gunnar Baganz, Marion Brasch, Christoph Dieckmann, Flake, Manfred Sährig, Kathrin Schmidt, Jochen Schmidt, Ingo Schulze, Lutz Seiler, Jutta Voigt und andere bekannte und unbekannte Autorinnen und Autoren Texte bei. Erschienen ist der Band 2017 bei Edtion Braus Berlin.
Der Folgeband „Graubunt. Zwischen Anarchie und D-Mark – Ostdeutschland in den frühen 90ern“ ist 2020 ebenfalls bei Edition Braus Berlin erschienen. In ihm sind Fotos von Jürgen Hohmuth aus den frühen 1990er Jahren mit Texten von Thomas Brasch, Christoph Dieckmann, Dietmar Ebert, Christoph Hein, Klara Huber, Bärbel Klässner, Christoph Links, Bernhard Maaz, Christoph Meckel, Steffen Mensching und Hans-Eckardt Wenzel, Peter Mühlfriedel, Sten Nadolny, Kathrin Schmidt, Jochen Schmidt, Ingo Schulze, Lutz Seiler und anderen Autorinnen und Autoren vereint.
Beide Bücher sind einzigartige Zeitdokumente in Bild und Wort.
Weitere Informationen über Jürgen Hohmuth, seine Arbeit als Fotograf und seine Bücher finden Sie hier – www.zeitort.de
